Armin Müller-Stahl
Geschehnisse
Wind bringt Regen in das Land
Schüttet ihn aus großer Hand
Drück ihn an die Fensterscheiben
Spielend Zeit sich zu vertreiben
Komm ich zeige dir die Scheiben
Dieses Regenmustertreiben
Diese Wassergaukeleien
Wie es prasseln kann und schreien
Wie die dicken fetten Tropfen
Schluckend kleinre rein sich stopfen
Mit den Wasserbäuchen schaukeln
Tanzend fressend saufend gaukeln
Wie die dicken Wänste platzen
Ihre Gesten ihre Fratzen
Schiebt und drängelt kreuz und quere
Fällt dann platzend in die Leere
Wie sie sich brutal verschlingen
Wie sie mit dem Leben ringen
Dieses Purzeln dieses Wühlen
Ob die Tropfen Menschen spielen?
(1965)
Armin Müller-Stahl
Es waren mal drei Waffen
Die klapperten herum
in einer dunklen Ecke
Im Waffenmuseum
Es war der Rasselsäbel
Ein altes Krachgewehr
Und noch ne Bumskanone
Sonst klappert nirgendwer
Und klapperten noch mehr
Und gaben furchtbar an
Doch gleich danach warn sie
Mit einer Beichte dran
O sagte die Kanone
Ich macht nur einmal Bumm
Da fielen von meiner Kanone
Zehn Regimenter um
O sagte das Gewehr
Ich war ja auch mal wer
Ich habe peng durchlöchert
Das ganze große Heer
Hei sagte da der Säbel
Mit einem Hieb ich hab
Rasiert den King und schlug
Noch tausend Köpfe ab
Dann schwiegen alle drei
Im milden Abendlicht
Ach wären die Raketen
Nur auf den Mond gericht
O sagte die Kanone
Ich möcht ein D-Zug sein
Dann tu ich vorne rauchen
Und lass das Schießen sein
Und ich möchte ein Auto
Sagt das Gewehr ich weiß
Dann würde mir beim Schießen
Der Hals nicht mehr so heiß
Und ich sagte da der Säbel
Ich möcht ein Messer sein
Dann schnitt ich frischen Schinken
Un Speck und Würste klein
Dann schwiegen alle drei
Im milden Abendlicht
Ach wären die Raketen
Nur auf den Mond gericht
(1964)
Hermann Hesse
Die frühe Stunde
Silbern überflogen
Ruhet das Feld und schweigt,
Ein Jäger hebt seinen Bogen,
Der Wald rauscht und eine Lerche steigt.
Der Wald rauscht und eine zweite
steigt auf, und fällt.
Ein Jäger hebt seine Beute
Und der Tag tritt in die Welt.
Hermann Hesse
[Aus: Hermann Lauscher]
Aller Friede senkt sich nieder
Aus des Himmels klaren Weiten
Alles Freuen, alles Leiden
Stirbt den süßen Trost der Lieder
Hermann Hesse
Jeden Abend
Jeden Abend sollst Du Deinen Tag
Prüfen, ob er Gott gefallen mag.
Ob er freudig war in Tat und Treue,
Ob er mutlos lag in Angst und Reue;
Sollst die Namen deiner Lieben nennen,
Haß und Unrecht still vor Dir bekennen,
Sollst dich alles Schlechten innig schämen,
Keinen Schatten mit ins Bette nehmen,
alle Sorgen von der Seele tun,
Daß sie fern und kindlich möge ruhn.
Dann getrost in dem geklärten Innern
Sollst du deines Liebsten dich erinnern,
Deiner Mutter, deiner Kinderzeit;
Sieh, dann bist du rein und bist bereit,
Aus dem kühlen Schlafborn tief zu trinken,
Wo die goldnen Träume tröstend winken,
Und den neuen Tag mit klaren Sinnen
Als ein Held und Sieger zu beginnen.
Hermann Hesse
Der Blütenzweig (1913)
Immer hin und wider
Strebt der Blütenzweig im Winde,
Immer auf und nieder
Strebt mein Herz gleich einem Kinde
Zwischen hellen, dunklen Tagen,
Zwischen Wollen und Entsagen.
Bis die Blüten sind verweht
Und der Zweig in Früchten steht,
Bis das Herz, der Kindheit satt,
seine Ruhe hat
Und bekennt: voll Lust und nicht vergebens
War das unruhevolle Spiel des Lebens.
Hermann Hesse
Der Duft der Rose (1901)
nimmt Dich in einen süßen Bann,
rührt dich liebkosend leise
wie eine Liederweise
mit Ahnung voller Schönheit an,
ist ohne Gleichnis rein und zart:
du kannst es nicht ermessen,
fühlst nur ein süß Vergessen
und eine süße Gegenwart.
Hermann Hesse
Leben einer Blume, (1934)
Aus grünem Blattkreis kinderhaft beklommen
Blick sie um sich und wagt es kaum zu schauen,
Fühlt sich von Wogen Lichtes aufgenommen,
Spürt Tag und Sommer unbegreiflich blauen.
Es wirbt um sie das Licht, der Wind, der Falter,
Im ersten Lächeln öffnet sie dem Leben
Ihr banges Herz und lernt, sich hinzugeben
Der Träumefolge kurzer Lebensalter.
Jetzt lacht sie voll, und ihre Farben brennen,
An den Gefäßen schwillt der goldne Staub,
Sie lernt den Brand des schwülen Mittags kennen
Und neigt am Abend sich erschöpft ins Laub.
Es gleicht ihr Rand dem reifen Frauenmunde,
Um dessen Linien Altersahnung zittert;
Heiß blüht ihr Lachen auf, an dessen Grunde
Schon Sättigung und bittre Neige wittert.
Nun schrumpfen auch, nun fasern sich und hangen
Die Blättchen müde überm Samenschoße.
Die Farben bleichen geisterhaft: das große
Geheimnis hält die Sterbende umfangen.
Heinrich Heine
Anfangs wollt ich fast verzagen, (1797 - 1856)
Anfangs wollt ich fast verzagen
Und ich glaubt ich trüg es nie,
Und ich hab es doch getragen,
Aber fragt mich nur nicht wie.
Ein Fichtenbaum steht einsam, (1797 - 1856)
Ein Fichtenbaum steht einsam
Im Norden auf kahler Höh’.
Ihn schläfert; mit weißer Decke
Umhüllen ihn Eis und Schnee.
Er träumt von einer Palme,
Die, fern im Morgenland,
Einsam und schweigend trauert
Auf brennender Felsenwand.
(November 1830)
Der Brief, den Du geschrieben,
Er macht mich gar nicht bang;
Du willst mich nicht mehr lieben,
Aber Dein Brief ist lang.
Zwölf Seiten, eng und zierlich!
Ein kleines Manuskript!
Man schreibt nicht so ausführlich,
Wenn man den Abschied gibt.